Bangkok

Bangkok, 14.11.2010: Entspannung im Flüchtlingsdrama von Myanmar

 © Fluechtlingslager © colourbox.comGefechte zwischen Rebellen und Regierungstruppen im Grenzgebiet zu Thailand flauen ab.

Überraschende Wende im seit Tagen andauernden und noch nicht endgültig ausgestandenen Flüchtlingsdrama in Myanmar: Nachdem seit dem Wochenende Zehntausende das von einer Militärdiktatur regierte Land wegen der Kämpfe zwischen Karen-Rebellen und Regierungstruppen Richtung Thailand verlassen mussten, scheint sich die Lage zu stabilisieren. Die Gefechte waren einen Tag nach der Parlamentswahl in Birma am vergangenen Montag ausgebrochen. Wurde noch Anfang der Woche über ein weiteres Kapitel von Vertreibung und Flucht aus Myanmar nach den großen Wellen in den Jahren 1984, 1988, 1994, 1997 und 2007 spekuliert, die zu über 100 000 Emigranten in thailändischen Flüchtlingscamps führten, könnte es diesmal glimpflicher ablaufen.

Grund dafür ist, dass die bei den unterdrückten Minderheiten Karen, Mon und Shan verhasste Armee von Myanmar jetzt offenbar große Teile im Osten des Landes komplett kontrolliert und die Rebellen zurückgedrängt sind. Viele Flüchtlinge kehrten bereits vorgestern Abend in ihre Dörfer zurück. Bei den Auseinandersetzungen nahe der Grenze zu Thailand mit mindestens drei toten Zivilisten und mehr als einem Dutzend Verletzten, die zur Flucht Zehntausender führten, waren auch mehrere Bomben und Granaten auf thailändischer Seite eingeschlagen. „Ich war schon weit auf thailändischer Seite, als eine offenbar fehlgeleitete Granate der Rebellen von der Karen National Liberation Army direkt neben uns einschlug“, erzählt der 30-jährige Birmese Jaypooh aus Payatongzoo City im Bezirks-Hospital Sangkhlaburi des Nachbarlandes. Die Birmesin Atieng hatte es zusammen mit ihrer Mutter im Haus wenige Kilometer westlich der Grenze zu Thailand erwischt. „Vier Familienmitglieder konnten sich zuvor in eine Art Tunnel unter dem Haus retten“, so die 21-Jährige. Dr. Panas Sophonpong, der leitende Arzt des Distrikts Kanchanaburi, erläutert, dass weiterhin Vorbereitungen für die Errichtung von Sonderstützpunkten entlang der Grenze mit Zelten, medizinischem Gerät sowie der Verlegung von drei zusätzlichen Krankenwagen getroffen werden.

Allein im Grenzort Dan Chedi Sam Ong (Drei-Pagoden-Pass) hatten seit Montag allnächtlich rund 3000 Birmesen – darunter besonders viele Frauen und Kinder, aber auch buddhistische Mönche – nach der Flucht über die grüne Grenze Zuflucht gesucht und auf einem Sportplatz gefunden. „Wenn die Kämpfe andauern, erwarten wir hier in den nächsten Tagen einen Flüchtlingsandrang bis zur zehnfachen Anzahl“, hatte Ortsvorsteher Piijai Chatchai noch am Mittag erklärt. Am frühen Abend dann die überraschende Wende, als die Nachricht vom offenbar uneingeschränkten Erfolg der birmesischen Armee eintrifft. Per Lautsprecher werden die Flüchtlinge über die neue Situation informiert. Viele von ihnen werden viel schneller als erwartet wieder zurückkehren.

Zu Tausenden ziehen sie in kleinen Gruppen vom Camp Richtung Grenzstation Dan Chedi Sam Ong am 282 Meter hohen Pass, der seit über einem Jahr unpassierbar ist. Deren Öffnung wird von beiden Seiten mit großen Emotionen gefeiert. Ein kleiner Hauch des deutschen 9. November weht durch diesen Teil des Tenasse- Hoffnung auf Frieden: Flüchtlinge aus Myanmar auf dem Weg zu einem Camp.

Martin Pelzl
veröffentlicht am 14. November 2010 in der Leipziger Volkszeitung.

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