Bangkok

Bangkok, 30.11.2010: Slums neben Wolkenkratzern

 © © colourbox.comHochhäuser wie Sand am Meer, unzählige Nobelboutiquen und -restaurants, schwere Karossen – die thailändische Hauptstadt wirkt auf den ersten Blick wie die Übersetzung des einheimischen Namens Krung Thep: Stadt der Engel.

Doch sie hat gewaltige Schattenseiten. Obdachlose, Slumbewohner, Menschen am Rande der Gesellschaft. Im Gegensatz zu vielen anderen, auch deutschen Metropolen findet der aufmerksame Beobachter hier aber keine Ghettoisierung der Armut. Neben dem Wolkenkratzer die Wellblechhütte, die Nobelvilla ist vom Wohnblock der Mittelschicht zum Greifen nah. Wie auf dem Land oder in kleineren Städten gibt es überall einen Mix aus Behausungen für Arme, Normalverdienende und Reiche.

Auch der größte Slum des Landes im Bangkoker Stadtteil Khlong Toei ist von in den Himmel ragenden Glaspalästen umgeben. Hier leben etwa 100 000 Menschen. Um die Probleme kümmert sich unter anderem die Duang-Prateep-Foundation, eine von vier sozialen Stiftungen im Umfeld. Die Namensgeberin wuchs selbst im Slum auf, begann schon mit zwölf Jahren, ihre Lese- und Schreibfähigkeiten als Lehrerin an die Jüngeren weiterzugeben und leitet heute die mit über 100 Preisen ausgezeichnete Organisation mit 50 Mitarbeitern.

Ein Slum-Besuch auf eigene Faust ist selbst für Thais nicht ratsam. Heroin und andere Drogen, Waffen, Aids, fehlende medizinische Versorgung, Altersarmut – die Liste der Probleme scheint ebenso lang wie die umliegenden Hochhäuser hoch. Kollegin Punnee und ich lassen uns von Sompit, die schon von Weitem an ihrem hellblauen Polo-Shirt mit der Aufschrift „We are friends“ (Wir sind Freunde) unter dem Symbol zweier Straßenhunde zu erkennen ist, ins Innere des Slums führen. Es ist eine der bewegendsten Stunden meines Aufenthaltes. „Ich weiß, dass ich nur einigen helfen kann“, erzählt die 54-Jährige, die selbst über eine Dekade im Khlong-Toei- Slum wohnte. Meist gehe es um medizinische Betreuung und Hilfe für Kinder. „Doch jeder kleine Erfolg motiviert“, sagt Sompit mit fester Stimme, die zugleich bedauert, dass die von einer Hilfsorganisation eingerichtete Kinderbibliothek praktisch nicht genutzt wird. „Fernseher und Comics haben eben auch schon die Slums erobert.“

Martin Pelzl
veröffentlicht am 30. November 2010 in der Leipziger Volkszeitung.

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