Bangkok

Bangkok, 7.12.2010: Roter Gaur, Sofa und andere Kuriositäten

 © Überraschung im Bangkoker Supermarkt: Hallorenkugeln © Foto: Martin PelzlLetztes Kapitel des Thailand-Tagebuchs: Resümee des journalistischen Austauschprojekts.

Jeder Austausch geht einmal zu Ende, so auch meiner. In wenigen Stunden schon muss ich die sommerlichen Temperaturen im winterlichen Thailand gegen Schnee, Eis und Minusgrade im heimischen Deutschland tauschen. Was bleibt? Der Versuch eines Resümees.

Die Rolle Thailands in vielfältiger Hinsicht wird in Deutschland mehr als nur unterschätzt. Das Land hat weit mehr zu bieten als Lächeln, Sonne, Strand, Palmen, tolles Essen und Sex- Tourismus. Die fast täglichen Überraschungen, wie eng Deutschland mit dem über 8500 Kilometer entfernten Thailand verwoben ist, haben bis zum Ende nicht nachgelassen.

Konstatieren muss man jedoch, dass Thailand Jahre der Weichenstellung bevorstehen – vor allem in politischer Hinsicht. Zum einen ist da der tiefe Riss in der Gesellschaft zwischen Rot- (Regierungsgegner) und Gelbhemden (Regierungstreue), der wohl auch durch die für nächstes Jahr angekündigten Wahlen kaum zu kitten sein dürfte. Zum anderen die große Frage, was aus der Monarchie wird, wenn der jetzt 83-jährige, seit längerer Zeit kränkelnde, aber beim Volk hochverehrte König Bhumibol einmal nicht mehr ist. Szenarien werden mittlerweile nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert.

Doch zurück zu erfreulicheren Dingen, zu den Überraschungen, Skurrilitäten und Schmunzlern aus spannenden Wochen. Über einiges habe ich ja in den vergangenen Wochen im Thailand-Tagebuch bereits berichtet. Doch wer hätte beispielsweise gedacht, dass Leipzigs Top-Fußball- Team RB im übertragenen Sinne von Thailand aus gesponsert wird? Erklärung: Der dafür zuständige zuckersüße Energietrunk wird in Lizenz des seit den frühen 1970er-Jahren besonders in Thailand verbreiteten Pendants Krating Daeng („Roter Gaur“, Gaur ist die größte in Süd- und Südostasien lebende Rinderart) hergestellt. Der angebliche Muntermacher hat praktisch vom Land des Lächelns aus seinen Siegeszug um die Welt angetreten und sorgt nun für das nötige Kleingeld, um unter anderem im Fußball und Formel-1-Geschäft mitmischen zu können.

Das vielleicht schrägste Erlebnis habe ich in einem riesigen Bangkoker Supermarkt. Auf der Suche nach einer neuen Zahnpastatube halte ich plötzlich eine Packung Hallorenkugeln aus der ältesten deutschen Schokoladenfabrik im nahen Halle in der Hand. Wieso gibt es die hier? Den Kopf schütteln wie schmunzeln muss ich ebenso über den Fakt, dass das doch ziemlich deutsche Wort „Sofa“ Eingang in die Thai- Sprache gefunden hat.

Für mich die mit Abstand größte Überraschung ist die E-Mail einer (ur-) alten Schulfreundin. Wir haben uns praktisch das letzte Mal in der 8. Klasse vor meinem Schulwechsel gesehen. Sie ist beim Stöbern im Internet auf das Thailand-Tagebuch bei LVZ-Online gestoßen und hat mich nach vielen, vielen Jahren kontaktiert. Neben zahlreichen Geschichten, die ich wohl in den nächsten Wochen zum Besten geben muss, wird ein Treffen mit Kathrin ganz oben auf der To-do-Liste sein.

Was werde ich vermissen? Sicher die offenen und freundlichen Menschen, die für mich perfekten Temperaturen – und natürlich das Essen. Weniger fehlen werden die typischen „Thai-Krankheiten“ à la viel zu tief eingestellte Klimaanlage, wahre Eisberge im Bierglas sowie der Plaste- und Strohhalmwahn in jeder Lebensbeziehung. Was ich versuche zu bewahren, ist die Gelassenheit, mit der die Thais mit dem organisierten wie funktionierenden Chaos umgehen, sowie die erneuerte Erkenntnis, wie gut es den Deutschen im Schnitt doch geht. Auf Wiedersehen, Thailand! Hoffentlich bis bald!

Martin Pelzl
veröffentlicht am 7. Dezember 2010 in der Leipziger Volkszeitung.

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